Im "Lexikon der deutschen Blechspielzeug-Industrie" hatte ich in der Einleitung auf Seite 10 geschrieben: "...Doch vor dem Bedrucken von Blechen galt es eine scheinbar unüberbrückbare Hürde zu überwinden. Denn bedruckte Bleche ließen sich nicht löten, weil die Hitze die aufgedruckten Farben an den Nahtstellen verbrannte. Ein Rätsel bleibt, nämlich wer die Universallösung für dieses Problem gefunden hat: die in Schlitze greifenden Zäpfchen, direkt aus dem bedruckten Blech mitgestanzt, die dann nur noch umgebogen werden mussten, um das Spielzeug zusammenzuhalten (Prinzip Haken/Öse). Eine Methode, die die gesamte Blechspielzeug-Industrie für Jahrzehnte prägen sollte."
Für mich war es eines der großen Geheimnisse in der Geschichte des Blechspielzeugs. Seit mehr als 40 Jahren habe ich, mehr oder minder intensiv, an seiner Enträtselung gearbeitet. Und ich war mir immer sicher: Irgendwann würde ich einen Hinweis, vielleicht sogar einen Beweis finden, schon aus persönlicher Befriedigung meiner Neugierde.
Irgendjemand musste diesen kleinen aber revolutionären Schritt getan haben. Und weil er so spektakulär war, musste es irgendwo einen Hinweis darauf geben, wer dieser Jemand war. So weit die Erkenntnis von 2014. Heute weiß ich: Ich war bei dieser Recherche von Anfang an auf der falschen Fährte. Ich hatte mich nämlich bei den Nachforschungen auf die Blechspielzeug-Industrie beschränkt. Die naheliegende Verwandte, die blechverarbeitende Industrie, hatte ich übersehen. Dort wurde ich nun fündig. Das Ergebnis: Es war der Fabrikant Franz Carl Bellinger in Fulda, der die Schlitze und Zäpfchen "erfunden" hatte.
Mit Spielzeug hatte F.C. Bellinger überhaupt nichts zu tun. Er fertigte Haushaltsgeräte aus Eisen- und Schwarzblech. 1867 stellte er seinen Betriebauf emaillierte Haushaltswaren für den Massenmarkt um und schaffte damit seinen Durchbruch. 1914 arbeiteten mehr als 1000 Arbeiter in diesem nun größten Unternehmen in Fulda. Hauptprodukt während des I. Weltkrieges: Stahlhelme, heute gesuchte Militaria.
Am 25. März 1887 teilte er dem Kaiserlichen Patentamt in Berlin mit, dass er eine neue "Verbindung von Blechen" erfunden habe. Und er erläuterte seinen Antrag mit der folgenden Beschreibung: "Jede bekannte Verbindungsart hat ihre besonderen Nachteile. Verlötete Bleche können nicht emailiiert werden und die Naht besitzt auch keine Widerstandskraft. Vernietete Bleche zeigen wegen der vorstehenden Köpfe kein vorteilhaftes Äußeres, gefalzte Bleche haben sehr dicke Falzränder." Fortsetzung